PMMA 3D-Druck: Ideal für die Kleinserie

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 5 min Lesedauer

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Bei der Produktion von Aluminium- und Titan-Feingussbauteilen setzt der Luft- und Raum­fahrtexperte Tital, der seit 2015 zum US-Konzern Howmet Aerospace gehört, neben dem Wachsausschmelzverfahren auf 3D-gedruckte PMMA-Modelle von Voxeljet. Wann welches Verfahren gewählt wird, hängt vor allem von der Stückzahl ab.

(Quelle: Voxeljet)

PMMA 3D-Druck für die Luftfahrt: Tital produziert einbaufertige Aluminium- und Titan-Feingussteile für namhafte Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Zu über 90 Prozent beliefert der Titan-Feingussspezialist die Luft- und Raumfahrtindustrie, darunter Flugzeugbauer wie Airbus und Boeing sowie Triebwerkshersteller, beispielsweise Safran Aircraft Engines.

Feingussteile aus Leichtmetallen

In seinem Werk in Bestwig produzierte Tital im Jahr 2022 im Feingussverfahren 416 verschiedene Artikel aus Aluminium und 275 aus Titanium. Insgesamt fertigte Tital rund 100.000 Gussteile. Die Entwicklung schreitet voran und so ermöglichen neue Legierungen höhere Triebwerkstemperaturen. Hierbei kann die Al-Legierung A205 unterstützen und aufgrund der erhöhten Festigkeit und Einsatztemperatur teilweise Titanlegierungen ersetzen. Dadurch lässt sich eine Gewichtseinsparung von rund 40 Prozent erzielen. Gegenüber Aluminium A357 mit einer Temperaturbeständigkeit von <100 °C hält A205 Temperaturen bis zu 200 °C stand. Das Titanium "Thor" toppt das Ganze noch. Bei Einsatztemperaturen von bis zu 650 °C kann es teilweise sogenannte Superalloys (Nickelbasislegierungen) ersetzen. Dadurch lässt sich eine Gewichtsreduzierung von rund 50 Prozent erzielen.

3D-Druck-gestützter Feinguss

In der Feingießerei von Tital kommen 3D-gedruckte PMMA-Modelle des 3D-Druck-Spezialisten Voxeljet zum Einsatz. Beispielsweise bei der Produktion der Bauteile „Channel Fitting“ und „Hinge Arm“. Das Channel Fitting mit einer Größe von 1200 x 350 x 300 Millimetern für den Airbus A400M sitzt im Fahrwerkschacht des Hauptfahrwerkes. Es beherbergt den Hydraulikzylinder, der dafür zuständig ist, die Fahrwerksklappe zu öffnen und zu schließen. Der Airbus A400M ist ein Transportflugzeug mit hoher Zuladungskapazität. „Diese hohe Zuladung ist nur möglich, wenn das Leergewicht reduziert wird“, erklärt Rainer Sabisch, Director Global Application Engineering bei Tital. „Eine Option der Gewichtseinsparung sahen wir in der topologisch optimierten Auslegung des Channel Fittings. In mehreren Prozessen der Guss-Simulation und Design-Optimierung ist uns das mit einer Gewichtsreduktion von 17 Prozent gut gelungen.“

Der „Hinge Arm“ oder Scharnierarm kommt in verschiedenen Flugzeugtypen vor. Er ist die Verbindung zwischen Flugzeugrumpf und Flugzeugtür. Tital fertigt den Hinge Arm für das chinesische Passagierflugzeug Comac C919. Auch hier konnte Tital das Gewicht des Bauteils, das bis dato zu schwer war, durch Topologieoptimierung im Feinguss-Prozess um 47 Prozent erheblich reduzieren. “Der Wechsel vom Frästeil auf Feinguss hat hier sehr gut funktioniert“, so Rainer Sabisch. Gegenüber der konventionellen Fertigung aus einem Stück („Machining from bar“) punkten Feingussbauteile bei wichtigen Produkteigenschaften wie Gewicht, Energieverbrauch oder CO2-Ausstoß. Feinguss erlaubt einen effizienteren Materialeinsatz und eine höhere Recyclebarkeit als Fräsen.

(Ein von Voxeljet gefertigtes PMMA 3D- Druck-Modell (links) und das daraus gegossene Bauteil. Bild: Howmet Engine Products, Tital GmbH)

Wachs oder PMMA 3D-Druck?

Tital setzt bei der Produktion der Feingussteile sowohl auf Wachslinge als auch auf den PMMA 3D-Druck (Poylmethylmethacrylat). Beim Wachsausschmelzverfahren werden die benötigten Wachslinge klassischerweise durch Einspritzen in Aluminiumwerkzeuge hergestellt. Das Wachsmodell wird anschließend mit einem Angusssystem versehen. Speiser und Steiger werden entsprechend angeklebt und das gesamte Modell mit einer Keramik ummantelt. Nachdem die Keramikschale angebracht ist, erfolgt das Ausschmelzen des Wachses. Übrig bleibt eine hohle Keramikform, in die die Schmelze eingegossen wird.

Ähnlich verhält es sich bei der Nutzung von PMMA 3D-Druck-Modellen, jedoch mit einem gravierenden Unterschied: Statt Aluminiumwerkzeuge für die Wachsmodelle sind lediglich 3D-Daten erforderlich. Ein weiterer Vorteil: Das Angusssystem kann direkt mitgedruckt werden. „Außerdem nimmt das Anfertigen der Wachswerkzeuge eine gewisse Zeit in Anspruch, sie sind wenig änderungsfreudig, kostenintensiv und wenig flexibel“, erklärt Rainer Sabisch. PMMA ist ein transparenter thermoplastischer Werkstoff, der durch Polymerisation des Monomers Methylmethacrylat gewonnen wird. Auf Grund seiner Transparenz, Brillanz und Kratzfestigkeit wird PMMA oft als leichte und splittersichere Alternative zu Glas eingesetzt und als Acryl- beziehungsweise Plexiglas bezeichnet. Im 3D-Druck wird es als Pulver verarbeitet und mit einem speziellen Binder Schicht für Schicht (Schichtstärke 150 µm) zu dreidimensionalen Objekten verklebt. Zum Einsatz kommt dabei die VX1000 von Voxeljet. Ein großformatiger 3D-Drucker mit einem Bauvolumen von 1.000 x 600 x 500 Millimetern.

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PMMA 3D-Druck: Auf die Stückzahl kommt es an

Die Frage ist: „Wann wähle ich welches Verfahren?“ Dazu Florian Rauscher, Manager On-Demand-Printing bei der Voxeljet AG: „Der entscheidende Faktor ist die Stückzahl. In Serienfertigungen, wenn die Stückzahlen groß werden, sind Wachsspritzformen die erste Wahl und konkurrenzlos. PMMA-Anlagen sind hier, je nach Komplexität der Geometrie, am Limit. Gerade bei einfacheren Geometrien sind die Werkzeugkosten überschaubar und daher der Break-Even im Vergleich zum 3D-Druck recht gering. Auch, was die Bauteilkosten angeht.“ Ein über ein Werkzeug abgeformtes Wachsmodell kostet weniger als ein PMMA-Modell. Jedoch ist das Anfertigen dieser notwendigen Werkzeuge zunächst teuer. Die entsprechenden Fertigungsanlagen hat Tital bei sich im Unternehmen. Der Feingussspezialist kann diese mehrschichtig betreiben. Die Herstellung von Wachslingen geht, sofern das Werkzeug bereits vorrätig ist, wesentlich schneller. Außerdem sind über die in einer Serie eingerichteten Wachsspritzformen wesentlich höhere Kapazitäten möglich als mit PMMA-3D-Druckmodellen. Die Größe der Bauteile spielt bei beiden Verfahren keine Rolle. „Sie ist kein limitierender Faktor. Baumaße von bis zu 1,1 x 1,1 Meter bekommt Tital sowohl über Wachs als auch PMMA geregelt, wenn auch nicht einteilig“, so Rainer Sabisch.

(Quelle: Voxeljet)
(Quelle: Voxeljet)

Faktor Designfreiheit

Schließlich ist die Design-Beständigkeit ein weiterer Faktor. „Wenn ich weiß, dass ein Motorsportler alle zwei Tage das Design ändert, dann kommen Hersteller mit der ständigen Werkzeugänderung nicht hinterher“, so Sabisch. Im Aerospace-Sektor gilt das für die Entwicklung. Durchläuft ein Bauteil gerade in der Anfangsphase viele Iterationsstufen, ist der Einsatz von PMMA-Modellen effizienter und zielführender. „Zumindest so lange, bis die Basis für Serienfertigung erreicht ist“, ergänzt Florian Rauscher. PMMA-Modelle eignen sich somit in hervorragender Weise für Entwicklungszwecke und Kleinserienproduktionen.

Fazit: Rundum zufrieden

Rainer Sabisch zeigt sich mit der Zusammenarbeit mit Voxeljet rundum zufrieden: „Voxeljet liefert hochpräzise PMMA-Modelle, auch für sehr komplexe Bauteile. Sie ermöglichen eine einfache Verarbeitbarkeit im Feingussprozess und eine große Gestaltungsfreiheit für komplexe Geometrien.“ Das ressourcenschonende Verfahren lässt sich problemlos in bestehende Produktionsketten eingliedern. Durch die 3D-Druck gestützte Feingussfertigung vereinfacht Tital seine Arbeitsabläufe und profitiert von reduzierten Liegezeiten, was sich wiederum positiv auf den Gusspreis auswirkt.

Die Autorin Sandra Staehr ist freie Fachredakteurin.

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